Entdecke den Gargellner Fenster Weg

Entdecke den Gargellner Fenster Weg Impression #1

Worauf laufen wir eigentlich? Spannende Wanderung mit Tief- und Weitblicken

Ich erinnere mich an eine Wanderung zu einer kleinen Alpe, als ein kleiner Knirps in der gemütlichen Stube die Sennerin fragte: „Wo ist denn euer Fernseher?“ Die Sennerin zeigte auf das Fenster mit grandiosem Ausblick: „Das ist unser Fernseher“ . Große Augen des Sprosses. Die habe jetzt ich. Denn Gargellen ist demnach gleich ein multidimensionales Rundkino.

Die Wanderung startet an der Talstation der Bergbahn in Gargellen, dem höchstgelegenen Bergdorf im Montafon. Unser Wanderführer Niclas erläutert gleich, dass es sich bei der von Jung bis Alt geeigneten 7,3-km-Wanderung mit 375 hm um keine Tour für die Prahlerei am Stammtisch handelt. Vielmehr gehe es um andere Perspektiven. Aber wir sollen selbst sehen. Und so stapfen wir gemütlich los, in ein mit Moosen und Farnen verwunschenes Waldstück.

Niclas erzählt uns, wie im Rahmen des Projekts „Bergdorf 2025“ in einer Gemeinschaftsaktion das Ortsbild hell und freundlich gestaltet wurde. Dabei errichtete die Dorfgemeinschaft auch den „Gargellner-Fenster-Weg“, als besondere Hommage an das Damals und das Heute. Niclas vergleicht Gargellen mit einem Buch: Würde man seitlich blättern, könne man in die einzelnen Seiten, also Epochen, einblicken.

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Wie kam ein armes Bergdorf damals zum Wohlstand?

Neugierig geworden laufen wir weiter, queren über eine kleine Brücke den Valzifenzbach  und gelangen zum imposanten Kalkofen. „Es gibt viele Fundstücke. Doch das hier ist besonders“. Niclas zeigt auf den freigelegten Ofen. Er selbst hat schon an dessen Erhaltung mitgearbeitet und weiß, was es bedeutet. Und das unter den damaligen Umständen: Von den Römern in den Alpenraum gebracht, wurde die Technik von örtlichen Handwerkern perfektioniert. Das Material lag hier praktisch vor Ort: Urgestein für das Ofenkonstrukt, Kalkgestein zur Kalkgewinnung und Holz zum Brennen. Das Zermürbende dabei: Jeder 900° heiße Kalkbrand sprengte auch das Gestein des Ofens, der so immer wieder neu errichtet werden musste. Gelohnt hatte es sich dennoch: Der für den Gebäudebau eingesetzte Kalk war eine profitable Einnahmequelle, weshalb Gargellen auch immer eine besondere Stellung im Montafon besaß. Gearbeitet wurde „baggerlos“ mit der Natur, mithilfe von Steinen aus Murenabgängen. Aber auch gegen die Natur, denn vom Wald war durch die Abholzung für das Brennmaterial hier kaum noch etwas zu sehen. Mit Beginn der Industrialisierung wurde das Kalkbrennen dann eingestellt. Puh, denn ohne Wald will man sich das Landschaftsbild mit seiner Fauna und Flora hier nicht vorstellen.

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Geschüttet, nicht gerührt

Weiter geht es über traumhafte Pfade, am Wasser entlang, über eine ausladende Blumenwiesen und – hey, wie kommst du denn daher? Ein riesiger Felsblock, mitten auf der Wiese, fernab vom Gebirge. Niclas löst das Rätsel: „Es handelt sich um einen Gletscherfindling aus der Eiszeit, ohne die es diese schöne Hochebene auch gar nicht gäbe.“ Gitzistee nennt sich der Findling, zusammengesetzt aus „Gitzi“ (Ziege) und „Stee“ (Stein), denn Ziegen fanden darunter Wetterschutz. Aber auch Jäger und Sammler, die archäologischen Untersuchungen zufolge diesen magischen Ort für sich entdeckt hatten. 

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Jetzt wird`s heiß, denn wir stehen auf einer tektonischen Platte. In der Geologie werden „Fenster“ als tektonische Decken bezeichnet, die durch Erdkrustenbewegungen freigelegt werden. Deshalb treten hier helle Kalkfelsen im ansonsten etwas dunkleren Urgesteinsmassiv zutage, wie uns Niclas bildhaft anhand Roll-, Überschiebungs- und Druckbewegungen erklärt. Wir erfahren, wie Gneis entsteht und was passiert, wenn er noch weiter nach unten gedrückt wird und sich mit Magma vermischt. Oder welchen Ursprung Kalk hat und dieser sich unter Druck verändert.

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Fenster wie Bilder in einer Galerie

Bei so vielen spiralförmigen und rollenden Bewegungen kann einem schwindlig werden. Wir gehen festen Trittes weiter und erreichen das Vergalden Fenster. Von hier hat man einen Blick auf den Ortsteil Vergalden, der aufgrund seiner Lage etwas wärmer ist und eine besonders artenreiche Botanik aufweist. Apropos Botanik, genau jetzt, im Juli, zeigen sich üppige Blumenwiesen auf der gesamten Wanderung, auch der blaue und gelbe Eisenhut blüht richtig auf.  Wir gelangen zum Gargellner Fenster – fast kommt es mir vor, als durchlaufen wir eine Galerie mit gerahmten Bildern. Wir erfahren einiges über den Luftkurort am Fuße der Madrisa, über das Damals und das Heute. Wie dort z. B. Einwohner und Gäste einst zusammen gesellig feierten und wie sich der Tourismus allgemein stark geändert hat.

 

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Geologische Zeitreise

Das Element Wasser begegnet uns erneut, wir befinden uns unweit der Ronggschlucht mit dem einzigen Wasserfall von Gargellen, bei dem es auch einen Klettersteig gibt. Den Bach querend erreichen wir auf schmalen Wanderpfaden ein wahres Naturparadies. Hier befindet sich die Maisäß Rüti, über deren Geschichte Niclas uns aufklärt, ebenso wie über die Walserbewegung und Maisäßkultur. Wir können direkt auch etwas nostalgische Luft schnuppern: Denn der Stall, der auf 1874 datiert ist, lässt sich betreten. Traumhaft über Wiesen gelangen wir an eine Stelle, die das Gargellner Fenster noch weiter aufmacht . Das Besondere an dem hiesigen geologischen Fenster: Hier sind die Auffaltungs-, Überschiebungs- und Pressvorgänge auf kleinstem Raum passiert. Genau das ist es, was das Montafon so einzigartig macht: Wir können hier jeden Tag „auf einer anderen tektonischen Platte“ wandern. Rätikon, Zimba und Schesaplana, die Gebirgszüge Richtung Bodensee und Bregenzerwald – sie alle haben einen anderen Ursprung. Wir lauschen fasziniert und ich werde die Berge nun garantiert mit anderen Augen sehen. Nicht nur, um Gneis, Granit oder Kalk unterscheiden zu können, sondern auch, um Flora und Fauna besser wahrzunehmen. Denn jedes Gestein hat einen anderen pH-Wert und bedingt so sein ganz eigenes Ökosystem, wie wir von Niclas erfahren.

 

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Von der Vielfalt der Blickwinkel lernen

Mein Wunsch-Ökosystem wäre jetzt etwas Wasser und so freuen wir uns, als wir die bewirtschaftete Ronggalpe sehen.  Vor rund 600 Jahren befand sich hier – auf 1600 hm – eine alte Bergsiedlung. Damals erhielten Walser Flächen, um sie landwirtschaftlich zu bearbeiten. Heute steht hier auf dem Sonnenplateau ein gemütliches Gasthaus. Wir werden von einer sympathischen jungen Familie bedient und lassen uns die angebotenen regionalen Spezialitäten ganz klar nicht entgehen. Die Frage ist nur: selbstgemachter Kuchen oder eine liebevoll angerichtete Brettlejause?

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Beim Abstieg kommen wir an einem Fenster der anderen Art vorbei: einem Kunstobjekt „Miorama“ aus 5 überhohen Holzsitzen mit seitlichen Flanken, alle etwas versetzt angeordnet.  Wir setzen uns hinein und jeder hat – anders als bei einem Panoramablick –einen bestimmten Abschnitt vor Augen. Doch genau dieser fokussierte Blick hat etwas wertvolles: Es geht um die Wahrnehmung im Hier und Jetzt. Und jeder hat eine andere Sicht – und Sichtweise. Ob es um Nachhaltigkeit, Leben in einer Gemeinschaft oder andere Themen geht, hier erfährt man eine umfassende Betrachtungsweise. Nämlich die verschiedenen Perspektiven zusammenzubringen, darüber zu diskutieren und Lösungen zu finden. Wertschätzen und das nachhaltig nutzen, was wir haben, kommt uns hier in den Sinn. Die vielschichtigen Ein- und Ausblicke, genau das wird bei der Station Miorama und auf dem gesamten Gargellner-Fenster-Weg vermittelt. Die Qualität der Begegnungen, ob mit Menschen oder Natur, bekommt hier eine besondere Bedeutung.

 



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