Eigenartiges Recht
Der 16. Oktober war für die Bauern in St. Gallenkirch ein besonderes Datum. Ab dem "Galli", dem Namenstag des Schutzheiligen Gallus, durften Schafe und Geißen im Tal frei laufen und uneingezäunt weiden. So wurde der Heubestand im Stall geschont und die Tiere konnten nach ihrer Alpzeit noch die letzten Grasreste verwerten. Dieses alte Weiderecht gilt heute nicht mehr, da manch freilaufendes Tier vor Nachbars Garten und Blumen nicht Halt machte. Viele Bauern nutzten das Recht nicht mehr, weil die Tiere durch den Autoverkehr gefährdet waren.
Die Rüti-Kapelle ist im späten 18. Jahrhundert entstanden und zeigt einen schönen Barockaltar mit qualitätsvollen Gemälden und Skulpturen, darunter der hl. Fidelis.
Bemerkenswert sind in dieser Kapelle vor allem zwei Votivbilder, die auf die Lawinenunglücke im Jahre 1793 und 1817 verweisen, die sich auf Rüti ereignet haben. Das größte Votivbild zeigt die Lawine und Menschen, die zum einen in Festtagstracht niederknieen (sie haben das Unglück nicht überlebt!) und zum anderen der Lawine davonlaufen. Sie haben überlebt. Unter ihnen befand sich übrigens auch der Gründervater der Montafoner Künstlerfamilie Josef Anton Bertle - eine zweifellos nicht nur für die Familie Bertle, sondern auch für die Montafoner Kunstgeschichte schicksalhafte Entscheidung.
Josef Anton Bertle war Autodidakt und malte noch in spätbarocken Formen, sein Söhne Franz und Jakob machten sich über Vorarlberg hinaus einem Namen als (Spät-)Nazarener. Hans Bertle, dem wir in den Schrunser Kirche begegnen, war wiederum der Sohn von Jakob Bertle und erhielt eine akademische Ausbildung in München. Und der letzte Vertreter dieser Malerdynastie war Hannes Bertle, der als Moderner im Nachkriegsmontafon ein schwieriges Terrain zu bestellen hatte. Eines seiner bekanntesten Werke ist der Kreuzweg, der seit wenigen Jahren in der Kirche von Tschagguns gezeigt wird.
(Die ViaValtellina Montafon, Juen, Kasper, Rudigier)